Wie ein geringes Selbstwertgefühl und Sexualität zusammen­hängen

5 Min. Lesezeit

Fachlich geprüft von Annika Haffke (Psychotherapeutin)

Braucht man einen hohen Selbstwert, um guten Sex zu haben? Wie wirkt sich ein geringer Selbstwert auf das Sexualleben aus? Welche Unterschiede gibt es zwischen Männern und Frauen in Bezug auf das Selbstwertgefühl und Sexualität? In diesem Artikel findest du Antworten auf diese spannenden Fragen und Tipps, mit denen du deinen Selbstwert und dein sexuelles Selbstbewusstsein steigern kannst.

Inhalt:

  1. Was hat das Selbstwertgefühl mit Sexualität zu tun? 
  2. Sexuelles Selbst­­bewusst­sein bei Frauen – Typisch Frau?
  3. Sexuelles Selbst­­bewusst­sein bei Männern – Typisch Mann?
  4. Was hat Selbstwert­gefühl mit gutem Sex zu tun?
  5. Wie kann ich mein Selbstwertgefühl steigern?
Titelbild: Geringes Selbstwertgefühl - Sexualität bei Paar

Was hat das Selbstwertgefühl mit Sexualität zu tun? 

Wir alle haben Phasen oder einzelne Tage, an denen uns etwas an uns stört. Ob es nun um unseren Körper geht oder wir uns für langweilig oder sogar nicht liebenswert halten. Wenn unser Selbstwert niedrig ist, fällt es uns vermutlich auch schwerer, einen Sexualpartner oder eine Sexualpartnerin zu finden. 

Einerseits liegt das daran, dass es Menschen dann schwerer fällt, zu flirten, anderen zu glauben, dass sie begehrenswert sind oder in manchen Fällen überhaupt den Schritt zu wagen, sich in soziale Situationen zu begeben.

Andererseits ist es so, dass ein hohes Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein attraktiv und anziehend auf andere wirkt. Das verhilft eher zu dem Maß an gewünschten sexuellen Kontakten und auch zum Einstehen für die eigenen sexuellen Bedürfnisse.

Die Möglichkeit, die eigene Sexualität auszuleben und sich sexuell erfüllt fühlen zu können, ist demnach größer, wenn wir ein eher hohes Selbstwertgefühl haben. 

Allerdings ist es auch möglich, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Personen mit einem niedrigen Selbstwert könnten versuchen, diesen gefühlten Mangel durch Bestätigung und möglichst viele sexuelle Kontakte auszugleichen. Hier könnte ein höherer Selbstwert hilfreich sein, weil dadurch der (teils unangenehme) Drang weniger werden kann, Zuwendung von außen zu bekommen.

Sexuelles Selbst­­bewusst­sein bei Frauen – Typisch Frau?

Frauen lernen von klein auf – ob bewusst oder unbewusst – , wie man sich als Frau vermeintlich zu verhalten hat. Das ist je nach Kultur und sozialem Umfeld unterschiedlich. Es kommt jedoch weniger auf den Inhalt der gesellschaftlichen oder familiären Norm an, als darauf, dass es überhaupt eine Richtlinie und damit erwünschtes und unerwünschtes Verhalten gibt. 

Diese Einschränkungen können auch auf den Bereich der Sexualität übertragen werden und zu Selbstzweifeln führen: Habe ich zu viele, zu wenige oder überhaupt die richtigen sexuellen Bedürfnisse? Darf ich mich kleiden, sprechen, tanzen, zurückziehen oder begehren, wen, wie und wann ich will? 

Diese Fragen werden meistens nicht bewusst gestellt und beantwortet. Das liegt auch daran, dass Sex immer noch ein Tabu-Thema ist und sich während der Pubertät entwickelt. Zu dieser Zeit stehen viele Entwicklungsaufgaben an, sodass die eigene Sexualität sich eher nebenbei entwickelt. Die Fragen und Zweifel, die dabei im Hintergrund mitschwingen, können das Selbstwertgefühl und die Sexualität der Frau beeinträchtigen. 

Auch die Erwartung überhaupt Sex und darüber hinaus besonders erfüllenden Sex erleben zu müssen, kann zu enormem Druck führen. Dieser Druck kann auch ein Faktor sein, weshalb es zu sexuellen Funktionsstörungen wie Vaginismus oder Dyspareunie kommt. Damit verbundene Ängste, Sorgen und Schmerzen rund um vaginales Einführen lassen sich zum Beispiel mit einem Vaginismus Therapiekurs behandeln.

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Sexuelles Selbst­­bewusst­sein bei Männern – Typisch Mann?

Ebenso wie bei Frauen, gibt es bestimmte Vorstellungen, wie ein Mann zu sein hat. Diese Erwartungen werden auch hier gesellschaftlich über Magazine, soziale Medien, Pornofilme oder auch durch das direkte soziale Umfeld in Gesprächen übermittelt. 

Es können Selbstzweifel auftreten, die sich in Fragen äußern, wie: Will ich genug Sex und mag ich das, was ein Mann mögen soll? Darf ich weniger oder gar keinen Sex haben oder andere Sexpraktiken bevorzugen? Kann ich eine Sexualpartnerin oder einen Sexualpartner überhaupt zufriedenstellen? 

Wenn den eigenen Bedürfnissen kein Vertrauen geschenkt wird, kann das Selbstwertgefühl geschwächt werden. Umgekehrt führt ein niedriges Selbstwertgefühl zu weniger Vertrauen in die eigenen Bedürfnisse. Ein Teufelskreis kann entstehen. 

Was hat Selbstwert­gefühl mit gutem Sex zu tun?

Stark verallgemeinert könnte man sagen: Der Eindruck „guten Sex gehabt zu haben” stellt sich ein, wenn die eigenen sexuellen Bedürfnisse befriedigt wurden. Um diese Bedürfnisse jedoch zu kennen, muss man seine sexuelle Lust zulassen, alleine oder gemeinsam experimentieren, herausfinden und sich zugestehen, was man mag und was man nicht mag. Und dann spielt das Selbstwertgefühl eine Rolle. Das Wissen über sich selbst und die eigene Sexualität muss in gewisser Weise als in Ordnung und wertvoll und nicht als weniger Wert als die sexuellen Bedürfnisse anderer gesehen werden.    

Doch natürlich muss es nicht nur um die eigenen Bedürfnisse gehen. Auch die des Partners oder der Partnerin können eine große Rolle bei „gutem Sex” spielen. Wurden auch seine oder ihre sexuellen Bedürfnisse erfüllt? 

Höchstwahrscheinlich bedarf es dafür guter Kommunikation, um erfüllenden Sex zu erleben. 

Ist das Selbstwertgefühl eher hoch, kann offener und mutiger über das Thema Sexualität gesprochen werden, ob in einer langjährigen Paarbeziehung, einer Affäre oder sogar bei einem One-Night-Stand. 

Andersherum kann es das Selbstwertgefühl auch stärken, das Gespräch zum Partner, zur Partnerin oder einer anderen Vertrauensperson zu suchen. Wenn du Unsicherheit bei dem Gedanken daran verspürst, kannst du sie auch als Einladung sehen, sie zu überwinden und dich dadurch persönlich weiterzuentwickeln.

Wie kann ich mein Selbstwertgefühl steigern?

Um das Selbstwertgefühl zu steigern, kann es hilfreich sein, sich mit der Angst vor Ablehnung zu beschäftigen. Es gibt auch konkrete Strategien, um den Selbstwert zu stärken. Dazu gehören zum Beispiel Selbstfürsorge oder der Umgang mit dem inneren Kritiker. Der innere Kritiker steht für die negativen Gedanken über dich selbst. Gedanken wie „Ich bin nicht normal” oder  „Der Sex hat ihm oder ihr bestimmt nicht gefallen”.

Ein guter Weg, um dem inneren Kritiker den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist eine positive Stimme dagegen zu setzen.

Das fällt oftmals schwer und gelingt am besten, wenn wir uns jemanden vorstellen, der uns gegenüber wohlwollend ist. Eine gute Freundin, ein Bekannter, Verwandter oder auch eine für uns positive Figur aus einem Buch oder Film. Was würde der- oder diejenige jetzt zu uns sagen? 

Wichtig ist: Die Stärkung des Selbstwerts und auch der Wachstum des sexuellen Selbstbewusstseins ist ein Prozess. Solange du diesem Prozess Aufmerksamkeit schenkst, wirst du stetig etwas über dich lernen, entdecken und bist auf dem richtigen Weg. Viel Spaß!
12 may 2019

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