Wie du die Angst vor Kontrollverlust überwinden kannst

Fachlich geprüft von Verena Düttmann (Psychotherapeutin)

Termine, Fristen, Treffen mit Freunden, Sportkurse, gesund kochen – die meisten Menschen müssen ihren Alltag gut planen, um alles unter einen Hut zu kriegen. Trotz Kalender und Notizbuch neigen wir manchmal dazu, dabei ziemlich viel im Kopf behalten zu wollen. Viele Menschen haben das Gefühl, geradezu alles im Blick und unter Kontrolle haben zu müssen. Wenn das der Fall ist, stellt sich die Angst vor Kontrollverlust oft schleichend, manchmal aber auch urplötzlich ein. Wie äußert sich diese Angst vor Kontrollverlust und was kannst du gegen sie tun?

Inhalt:

  1. Was ist Kontrolle?
  2. Wie kann ich mehr Kontrolle gewinnen?
  3. Was steckt hinter der Angst vor Kontrollverlust?
  4. Überforderung und Kontrollverlust
  5. Angst vor Kontrollverlust überwinden: Zwei Strategien
Titelbild: Angst vor Kontrollverlust

Was ist Kontrolle?

Egal, ob wir versuchen, das Verhalten einer anderen Person oder zukünftige Ereignisse und Abläufe zu kontrollieren – das ist nie vollends möglich. Die absolute Kontrolle ist eine Illusion. Durch eine gute Planung kann es uns allerdings gelingen, ein Gefühl der Kontrolle zu gewinnen. Das Bedürfnis nach Kontrolle und Selbstbestimmung ist sogar eines unserer Grundbedürfnisse. Wir möchten eigene Entscheidungen treffen können, was vollkommen in Ordnung ist. Zum Problem wird unser Kontrollbedürfnis erst, wenn wir zu viel kontrollieren und uns dadurch nicht mehr entspannen können. Oder wenn wir Dinge kontrollieren möchten, die sich unserer Kontrolle entziehen. Dieser Wunsch kann sich bis zur Angst vor Kontrollverlust steigern.

Kontrolle von Gedanken, Gefühlen und Verhalten

„Denke jetzt nicht an einen rosa Elefanten!” Bestimmt kennst du Gedankenexperimente wie dieses. Es soll zeigen, dass es nicht möglich ist, unsere eigenen Gedanken zu kontrollieren. In der Folge taucht meist sofort ein rosa Elefant in unserem Kopf auf, sobald wir diese Aufforderung hören. Genauso ist es mit unseren Gefühlen. Ob du dich traurig, wütend oder glücklich fühlst – leider gibt es für diese Gefühle keinen inneren Schalter oder Trick, mit denen du sie kontrollieren kannst. 

Das Einzige, was innerhalb deiner Kontrolle liegt, ist dein eigenes Verhalten. Über dein Verhalten kannst du indirekt Einfluss auf deine Gedanken, Gefühle, Ereignisse oder andere Menschen nehmen.

Wie kann ich mehr Kontrolle gewinnen?

Indem du dir über dein Verhalten bewusst bist und es aktiv auswählst, kannst du Einfluss auf deine Gedanken, Gefühle und dein Umfeld nehmen. Wenn du Dinge unternimmst, die dir Spaß machen, steigerst du die Wahrscheinlichkeit, dass du dich wohlfühlst. Dadurch dass du freundlich zu anderen bist, sind sie vielleicht ebenso freundlich zu dir. Wenn du deine Hochzeit genau planst, bist du mit dem Ergebnis vermutlich zufriedener, als wenn du alles spontan passieren lässt. 

Du fühlst dich ängstlich und ohnmächtig? Überlege dir, was du jetzt tun kannst, um deine Situation für dich zu verändern. Auf diese Art und Weise kannst du das Gefühl der Kontrolle zurückgewinnen, auch wenn es keine Garantie für bestimmte Ereignisse gibt.

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Was steckt hinter der Angst vor Kontrollverlust?

Wie eingangs erwähnt, haben wir häufig hohe Anforderungen an uns selbst. Die wenigsten von uns wachen morgens auf und überlegen ganz entspannt, was sie mit ihrem Tag anfangen möchten. Meistens haben wir Verpflichtungen, konkrete Vorstellungen und Erledigungen, die wir möglichst erfolgreich in Angriff nehmen wollen. Wenn sich diese Anforderungen häufen und wir keinen Pausentag dazwischen haben, an dem sich Kopf und Körper erholen können, kann sich das Gefühl der Überforderung einstellen. Vielleicht kann dir in diesem Zusammenhang auch unser Artikel über Selbstfürsorge weiterhelfen.

Überforderung und Kontrollverlust

Welche Gedanken gehen mit der Angst vor Kontrollverlust einher? Meistens sind es Gedanken wie: „Wie soll ich das alles im Kopf behalten?”, „Ich kann das nicht alles schaffen.” Oder: „Ich werde langsam verrückt / verliere den Verstand!” Diese Gedanken deuten auf eine Überforderung hin. 

Sie sind ein wichtiger Hinweis darauf, dass dir gerade etwas zu viel ist. Anstatt dich ungenügend oder bedroht zu fühlen, kannst du die Angst vor Kontrollverlust als hilfreiches Zeichen deiner Psyche sehen, weniger zu tun.

Angst vor Kontrollverlust überwinden: Zwei Strategien

Zusammengefasst kannst du folgende Strategien gegen die Angst vor Kontrollverlust mit in deinen Alltag nehmen: 

  1. Kontrolliere dein eigenes Verhalten

Gib dein Bestes, um positiven Einfluss auf deine Gedanken, Gefühle, Umstände und andere Personen zu nehmen – sei dir jedoch darüber bewusst, dass es keine Garantie für perfektes Gelingen gibt.

  1. Mach es dir leichter

Wenn du Gedanken und das Gefühl der Überforderung wahrnimmst, traue dich, weniger zu tun oder auch Aufgaben abzugeben. Werde dir über deine eigenen Ansprüche bewusst und verschaffe dir genügend Verschnaufpausen.

Gedankenexperiment

Was könnte schlimmstenfalls passieren?  

Um noch mehr über deine ganz persönliche Angst vor Kontrollverlust zu erfahren, kannst du noch folgendes interessantes Gedankenexperiment machen: 

Gehe einmal in Gedanken durch, was tatsächlich passieren würde, wenn du „die Kontrolle verlierst”. Wie würde sich das äußern und was hätte es für Folgen? Würdest du bestimmte Aufgaben links liegen lassen? Falls ja, welche? Bist du damit beschäftigt, was andere über dich denken könnten, wenn du nicht mehr „perfekt” funktionierst? Würdest du über die Stränge schlagen, zu viel essen, trinken oder rauchen? Etwas tun, was in deinen Augen gar nicht zu dir passt und du dich „kontrolliert” niemals trauen würdest?

In den meisten Fällen wirst du feststellen, dass die Folgen eines Kontrollverlustes gar nicht so gravierend oder langfristig wären.

Mut die Kontrolle zu verlieren 

Eine dritte Strategie, um deiner Angst vor Kontrollverlust zu begegnen, ist Mut zu entwickeln, den Kontrollverlust zuzulassen. Paradoxerweise gewinnst du durch diese bewusste Entscheidung wieder ein gewisses Maß an Kontrolle. Wie kann das funktionieren? 

Vielleicht hast du durch das Gedankenexperiment im letzten Absatz festgestellt, dass der gefürchtete Kontrollverlust gar nicht so furchtbare Folgen hätte. Die Kontrolle ein Stück weit abzugeben, kann schließlich auch bedeuten, sich mehr Freiheit zuzugestehen. Keine Kontrolle zu haben, kann uns zwar einerseits ängstlich oder sogar panisch machen. Andererseits kann sich auch das angenehme Gefühl einer „vertrauensvollen Ungewissheit” einstellen. 

Insofern kann die Angst vor Kontrollverlust auch eine Einladung sein, etwas Neues auszuprobieren, anderes zu tun und unerwartete Seiten an dir zu erleben. Vielleicht möchtest du damit in deinem Alltag ein wenig experimentieren?   
7 november 2019

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