Stress dauerhaft reduzieren mit psychologischen Stressbewältigungs-Strategien

Mann verzweifelt über einem Stapel an Unterlagen, weil er keine wirksamen Stress-Bewältigungsstrategien hat

Mit den richtigen Stressbewältigungs-Strategien und Entspannungsmethoden lassen sich Stress und gesundheitsschädliche Folgen von Stress vermeiden oder aber in schlimmen Fällen zumindestens abmildern.Aktualisiert am 02/08/2023 von Bettina Kapfer

Was ist Stress überhaupt?

Definition von Stress

Als Stress wird ein Zustand bezeichnet, in dem sich unser Körper und Psyche nicht mehr im optimalen Bereich befinden. Bei chronischem Stress ist das Gleichgewicht zwischen An- und Entspannung gestört und kann mit den vorhandenen Ressourcen nicht wiederhergestellt werden. 

Mehr zu den Grundlagen von Stress kannst du im Blogartikel „Stress: Definition und Ursachen“ nachlesen. Hier nur ein kurzer Überblick:

Die wichtigsten Punkte zur Stressreaktion

Die körperliche Stressreaktion ist eigentlich etwas Positives, das uns dabei hilft, potentiell bedrohliche Situation gut zu bewältigen. Selbst wenn beide Male die selben körperlichen Symptome vorhanden sind, kann es sich bei einem Menschen um eine unangenehme Empfindung handeln, während eine andere Person dies als wertvolle Unterstützung zur Bewältigung empfindet. Weil: Stress entsteht im Kopf, durch die Bewertungen die wir der Situation geben (ganz plakativ: „das schaffe ich“ oder „unmöglich zu schaffen“).

  • Wir verwenden den Begriff „Stress“ heute vorwiegend im negativen Sinn, vergessen aber, dass wir ein höheres Anspannungsniveau auch zu unserem Vorteil nutzen können: „Eustress“.

Was ist Stressbewältigung?

Methoden und Strategien zur Stressbewältigung werden in der Psychologie dafür eingesetzt, um stressbedingte Belastungen auf die Gesundheit von Menschen zu vermeiden, oder zu reduzieren.

Es handelt sich dabei einerseits um individuelle Stressbewältigungsstrategien, also um etwas, das jede*r selbst tun kann.

Andererseits versuchen die Methoden zur Stressbewältigung auch, Veränderung bei externen Faktoren zu bewirken, beispielsweise in Organisationen oder bei Entscheidungsträger*innen

Methoden zur Stressbewältigung

Gert Kaluza ist einer der führenden Psychologen zum Thema Stressmanagement, besonders mit seinem Programm „Gelassen und sicher im Stress“ und dem Buch „Stressbewältigung“. Er unterscheidet drei Methoden zur Bewältigung von Stress:

Instrumentelles Stressmanagement

Beim instrumentellen Stressmanagement wird versucht, die Stressfaktoren zu reduzieren oder überhaupt ganz zu beseitigen. Dies ist sowohl präventiv als auch reaktiv möglich.

Beispiele für instrumentelles Stressmanagement:

Arbeitsumgebung anders organisieren oder Arbeitsplatz verändern Verbessertes Selbst- und Zeitmanagement Aufgaben an andere delegieren (aka “Loslassen lernen”) Aufgaben ablehnen („Nein sagen“) Soziales Netzwerk aufbauen bzw. nützen Über belastende Situation sprechen (insb. zur Klärung), eventuell auch mit eine*r Expert*in Prioritäten setzen

  • Ausbau der persönlichen (fachlichen) Fähigkeiten, zB durch Schulungen

Mentales Stressmanagement

Stress entsteht im Kopf

Wer kennt diese Situation auch? Der Kollege erhält eine kleine Mini-Aufgabe, und gerät völlig außer Häuschen, weil „er das einfach nicht auch noch schafft“. Und man steht daneben und denkt sich nur: „Das sind doch maximal 5 Minuten, das ist doch die Aufregung gar nicht wert. Was hat der bloß, für mich ist das nicht mal der Rede wert?“.

Ein und dieselbe Situation, und zwei Menschen bewerten es ganz unterschiedlich. Ich könnte jetzt in den Konstruktivismus eintauchen, und Paul Watzlawick ehren. Weil er so  grandios erklärt, warum jede*r von uns ihre eigene Realtität hat. Und das mache ich auch bestimmt bald mal, aber für heute:

Stress entsteht nicht automatisch aufgrund der Situation selbst. Stress ist immer etwas Höchstpersönliches – es ist die Bewertung die wir einer konkreten Situation geben.

Diese Bewertungen wiederum ergeben sich aus unseren Überzeugungen, Einstellungen, Motiven und Glaubenssätzen.

Und diese wiederum sind uns oft nicht einmal bewusst.

Beim Mentalen Stressmanagement wird daher versucht, genau hier anzusetzen. Im Fokus stehen die persönlichen Stressverstärker, Gedanken wie zB „Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden“.

1. Schritt: Stressverstärker erkennen („bewusst machen“)

2. Schritt: Denkmuster verändern, hin zu Gedanken, die förderlich sind.

Das ist ein Prozess der oftmals Hilfe von anderen benötigt, wie zum Beispiel im Coaching. Es ist nämlich oft ziemlich schwierig, die eigenen unbewussten Denkstrukturen zu erkennen. Hier hilft ein „Spiegel“ bzw. eine Perspektive von außen oft sehr.

Neue Perspektiven auf das altbekannte Problem zu geben, ist mir ein Hauptanliegen im Coaching. Ich finde, das ist einer der größten Vorteile am Coaching, dass man ein Gegenüber hat, das der Situation unbelastet gegenüber steht!

Neubewertungen

Beim Mentalen Stressmanagement kann man an drei verschiedenen Punkten ansetzen:

1. Neubewertung dessen, was man glaubt, dass in einer bestimmten Situation erforderlich ist

2. Neubewertung der eigenen Möglichkeiten, die Situation zu bewältigen

3. Neubewertung, welche Erwartungen man an sich selbst hat (beispielsweise durch Hinterfragen des eigenen Perfektionismus)

Beispiel für mentales Stressmanagement sind (vgl. Kaluza):

Schwierigkeiten nicht als Bedrohung, sondern als Gelegenheit sehen (vgl auch die WIDEG-Formel von Viktor Frankl) Statt sich über Kleinigkeiten aufzuregen, den Blick auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben konzentrieren Fokus auf die vielen positiven Dinge, die im Leben passieren; und Dankbarkeit dafür (dies wurde auch von den Wissenschaftler*innen der Positiven Psychologie in Studien bestätigt, siehe PERMA-Modell von Martin Seligman) Vergeben lernen (nicht zuletzt seiner selbst willen)

  • Sich selbst nicht so wichtig nehmen, und Demut lernen

Regeneratives Stressmanagement

Regeneratives Stressmanagement kommt dann zum Einsatz, wenn die körperlichen und psychischen Folgen der Stressreaktion schon spürbar sind.

Man setzt hier daran an, negative Emotionen und Kognitionen im Zusammenhang mit Stress zu reduzieren.

Negative Gefühle von Angst, Ärger, Schuld, Neid und Kränkung sollen verringert werden. Gleichzeitig arbeitet man aber auch daran, positive Emotionen wie Stolz, Freude, Begeisterung zu verstärken.

Kurzfristiges regeneratives Stressmanagement

Kurzfristiges regeneratives Stressmanagement kann lt. Kaluza folgende Maßnahmen umfassen:

Ablenkung vom Problem Abreagieren mittels körperlicher Bewegung Entlastungsgespräche und Coaching Bewusstes Entspannen Sich selbst etwas Gutes tun

  • Medikamentöse Hilfe

Langfristiges regeneratives Stressmanagement

Für langfristige regenerative Stressbewältigung schlägt er hingegen folgendes vor:

Hobbies nachgehen Pflege von Freundschaften und sozialen Netzwerken Einüben von Entspannungstechniken und regelmäßige Durchführung von Entspannungsübungen

  • Sport

Was nicht bei der Reduktion von Stress hilft

Realitätsverweigerung und -verleugnung werden generell nicht als hilfreich zur Bewältigung von Stress angesehen. Nanona.

Was allerdings (kurzfristig) schon helfen kann, ist Ablenkung. Gerade wenn man einfach mal eine „Verschnaufpause“ braucht, hilft es, den Kopf auszulüften.

Das kann für jede*n etwas anders bedeuten.

Ich hüte mich daher vor guten Ratschlägen, außer demjenigen, dass man ruhig ein bisschen herumprobieren kann, welche Ablenkung gut tut (dafür siehe oben, unter „Sachen, die funktionieren“ 😉).

Aber auch wenn wir manchmal einfach alles hinter uns lassen wollen, und der Realität am liebsten den Rücken zukehren wollen – es funktioniert oft leider nicht. Die Probleme holen uns ja doch immer wieder ein.

Besonders schlimm wird es, wenn mit Medikamenten bzw. Alkohol und anderen Drogen versucht wird, das ganze „erträglicher“ zu machen.

Alkohol zum Beispiel reduziert Ängste und Spannungszustände. Deshalb wird Alkohol leider auch oft zur „Selbstmedikation“ bei Angststörungen „verwendet“.

Das Problem dabei ist: der Alkohol verringert tatsächlich die negativen Gefühle, und während des Rauschs geht es besser.

Und genau das ist die Krux: Unser Gehirn lernt dabei: Alkohol = weniger negative Emotionen.

Daraus folgt, mit Alkohol geht es mir besser. Und das Gehirn ist davon überzeugt: „Das muss ich mir merken“.

Es ist erstaunlich, wie schnell sich unser Gehirn etwas merken kann, wenn positive Emotionen damit verknüpft sind. Genauso schnell geht es auch, wenn negative Gefühle wegfallen…

Denn unser Gehirn speichert nicht nur die Kombination „Handlung – erhalte Belohnung“ ab als etwas, das man wiederholen muss.

Leider wird auch „Handlung – Wegfall von Unangenehmem“ abspeichert: „Oh das hat aber super funktioniert, das müssen wir uns unbedingt fürs nächste Mal merken.“

Und im schlimmsten Fall entsteht so ein Suchtkreislauf, der nicht einfach wieder abgestellt werden kann. Aber das ist eine andere Geschichte.

Last but not least, es ist glaube ich auch nicht weiter verwunderlich, dass Forschungsergebnisse zeigen, dass Selbstabwertung, Selbstmitleid, Grübeln und Resignation ebenso wenig wie Aggression förderlich sind, wenn es darum geht, Stress zu vermeiden bzw. reduzieren.

Zusätzlich zu allen Versuchen, Stress erst gar nicht aufkommen zu lassen – also zusätzlich zu allen Stressbewältigungs-Strategien sind auch Entspannungsmethoden wertvoll, wenn der Stress überhand nimmt:
10 märz 2019

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