Parasympathikus aktivieren: 15 entspannende Übungen

Parasympathikus aktivieren

Im Stress ist unser Nervensystem aus dem Gleichgewicht, und der Sympathikus übernimmt das Steuer, mit der Kampf oder Flucht Reaktion. Die Aktivierung des Parasympathikus beendet den Stress-Zustand, für mehr Ruhe und Entspannung.

Aktualisiert am 07/02/2024 von Bettina Kapfer

Nervensystem im Stress

Für mich ist es immer wichtig zu verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Aber lange Zeit war mir nicht klar, was eigentlich in meinem Körper alles los ist, wenn ich „im Stress bin“.

Darum ist auch dieser Blogartikel ein bisschen länger geworden, weil ich nicht nur die Übungen zur Aktivierung vom Parasympathikus vorstellen möchte.

Sondern ich habe auch noch versucht, die wichtigsten Player bei der Stressreaktion vorzustellen. Wer sich schon näher mit Homöostase, Hypothalamus, Sympathikus und Parasympathikus beschäftigt hat, kann die folgende Passage daher gerne auslassen.

Hier geht es direkt zu den Entspannungs-Übungen zur Aktivierung des Parasympathikus.

Homöostase – Gleichgewicht

Unser Gehirn hat den Auftrag: „Überleben sichern.“

Und das macht es, indem es ständig versucht, unseren Körper im Gleichgewicht zu halten: Homöostase bezeichnet jenen Prozess, mit dem unser Gehirn auf wechselnde Umwelteinflüsse reagiert. Dazu gehört besonders die Regulierung der Körpertemperatur. Aber auch Regulationsprozesse betreffend den Wasserhaushalt oder die Herz- und Atmungsfrequenz sind wichtige Prozesse der Homöostase.

Man kann sich dieses System auch so vorstellen, dass unser Gehirn verschiedene Key Performance Indicators hat:

Körpertemperatur: ~ 37° Celsius

Herzschlagfrequenz: 50 bis 100 Schläge/Minute

Wasserhaushalt: 45 bis 65%

Sauerstoffsättigung: 93 bis 99%

Usw. usf.

Die meisten der KPIs sind keine absoluten Werte, sondern ungefähre Sollwerte. Wir brauchen in der Regel auch niemanden, der uns dazu eine Rückmeldung gib. Sondern das macht unser Körper ganz von alleine.

Hunger- oder Durstgefühl.

Wir flüchten aus der Sonne, in den Schatten.

Ein Sprint wird schnell abgebrochen, wenn wir mit der Atmung gar nicht mehr mitkommen, und wir uns für diesen Kraftakt nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgen können.

Unser Körper gibt uns also Signale: „Das mag ich. Mehr davon“. OderStopp. So kann es nicht weitergehen“.

Diese Korrekturen sind notwendig, damit wir Überleben. Und wie auch beim Autofahren (ohne Autopilot oder Tempomat) sind wir mal ein bisschen drüber oder drunter.

Es braucht eine Steuer-Zentrale

Dafür gibt es ja eine Steuer-Zentrale, die versucht, uns wieder in den optimalen Bereich zu bringen, wenn wir drüber oder drunter sind.  

Und diese Steuer-Zentrale hat natürlich auch einen Namen: Hypothalamus. Der Hypothalamus hat die Aufgabe, die vitalen Körperfunktionen zu überwachen und zu steuern.

Damit ist er für unser Überleben essenziell, und kleine Verletzungen haben gravierende Folgen.

Und trotzdem macht der Hypothalamus nur 1% unserer Gehirnmasse aus und ist eigentlich nur eine winzige Anhäufung von Nerven-Kernen im Zwischenhirn.

Nervensystem und Hypothalamus

An dieser Stelle taucht jetzt wahrscheinlich die Frage auf:

Aber was bitte hat der Hypothalamus mit der Überschrift – Parasympathikus aktivieren und zur Ruhe kommen – zu tun?

Das ist eigentlich ganz schnell erklärt. Der Hypothalamus ist ja quasi nur das Thermostat, das in irgendeinem Raum der Wohnung hängt, und bei dem die Zieltemperatur 20° eingestellt wird. Wenn es tatsächlich in allen Räumen dann 20° haben soll, braucht der Thermostat Rückmeldungen. Zum Beispiel, eine Messstation im Wohnzimmer, die meldet: „Bitte mich mehr heizen, weil ich habe erst 18°. Und dann braucht es noch eine Leitung, die das Signal für „mehr heizen“ zum Ofen weiter transportiert.

Also es braucht Leitungen und Informationen in beide Richtungen, vom Thermostat zum Ofen, zum Zimmer, und wieder zurück. Und vermutlich wird es auch nicht ausreichen, wenn einmal täglich eine Messung vorgenommen und dann adjustiert wird.

Der Hypothalamus ist also dafür zuständig, die richtigen Signale auszuschicken. Damit die Balance gehalten oder wiederhergestellt werden kann. Denn nur dann fühlen wir uns entspannt und ruhig.  

Und während der Hypothalamus unser Thermostat für alle wichtigen Körperfunktionen ist, gibt es auch noch das „Leitungssystem“, nämlich unser Nervensystem. Und das ist zuständig, um die Informationen hin und her zu schicken, in unserem Regelkreis. Für Regulation – sei es nach oben, oder nach unten, braucht es eben alle Elemente: eine Schaltstelle, und das Leitungssystem. Besser bekannt als „Nervensystem“.

Menschliches Nervensystem

Was ist das autonome Nervensystem?

Wenn wir unser Nervensystem nach der Funktion einteilen, dann ergibt sich folgende Zweiteilung:

Es gibt einen Teil unseres Nervensystems, den wir für die gezielte, aktive Steuerung verwenden, zum Beispiel um zu gehen, einen Ball zu werfen, oder Klavier zu spielen. Diesen Teil nennen wir „Somatisches Nervensystem“. Für die Frage, wie wir Stress reduzieren und zur Ruhe kommen, interessiert uns dieser Teil nicht weiter.

Interessanter ist nämlich jener Teil unseres Nervensystems, den wir nicht aktiv steuern, sondern der automatisch funktioniert. Es wäre ja wohl ziemlich anstrengend, wenn wir uns darauf konzentrieren müssten, nicht aufs Atmen zu vergessen. Darum funktioniert alles, was wir fürs Überleben brauchen, automatisch.

Diesen Teil nennen wir „Vegetatives Nervensystem“, oder eben auch „Autonomes Nervensystem“, weil es von sich aus – automatisch – abläuft. Eben so wie eine Heizung, bei der das Thermostat eine Zieltemperatur vorgibt, und alles weitere ohne menschliches Zutun abläuft.

Funktionale Einteilung des Nervensystems

Und wie in einem Heizungssystem braucht auch unser Nervensystem verschiedene Handlungsoptionen, damit wir möglichst im Wohlfühl-Korridor bleiben:

Option 1: Es ist gerade gut so wie es ist, nichts ändern.

Option 2: Huch, das ist gerade aber zu wenig, wir müssen uns mehr ins Zeug legen, sonst wird das nix.

Option 3: Wow wow wow, das ist jetzt aber echt zu viel. Wir sollten jetzt lieber mal weniger machen.  

Sympathikus und Parasympathikus

Und genau dafür gibt es in unserem autonomen Nervensystem auch die richtigen „Programme“: den Sympathikus und den Parasympathikus.

Beim Sympathikus und dem Parasympathikus handelt sich um zwei unterschiedliche Nervenbündel im autonomen Nervensystem, die entgegengesetzte Wirkung haben.

Welches Programm angeworfen wird, entscheidet der Hypothalamus. Als Steuerungszentrale bewertet er Informationen aus der Umgebung oder aus dem menschlichen Körper. Und startet dann das richtige Programm.

Was ist der Sympathikus?

Der Sympathikus ist dann am aktivsten, wenn uns eine reale oder auch nur vermeintliche Gefahr droht. Eine nette Eselsbrücke für die Situationen, in denen der Sympathikus aktiviert wird, sind die „4 Fs“: Fight, flight, freeze and sex 😉

Also Flucht, Kampf, Einfrieren und Sex. Oder wie wir heute in unserer modernen Gesellschaft dazu sagen, seitdem der Säbelzahntiger keine allzugroße Bedrohung mehr ist: „Stress“ (und Sex).

In Stress-Situationen übernimmt der Sympathikus mit erhöhter Aktivität aller zugehörigen Nervenbahnen die Vorherrschaft, und wir sind im Überlebensmodus. Eine absolut wichtige Funktion, ohne die wir als Menschheit nicht überlebt hätten. Und gleichzeitig wird bei der Aktivierung des Sympathikus alles zurückgestellt, was nicht dem akuten Überleben dient.

Also kurzfristig absolut wichtig zum Überleben, aber langfristig kann eine dauerhafte Aktivierung des Sympathikus – Stichwort Dauerstress – zu gesundheitlichen Schäden führen.

Den Sympathikus zu beruhigen, macht daher auch langfristig Sinn! Mehr Details dazu gibt es im Blogartikel über die Entstehung und die Symptome von Stress.

Was ist der Parasympathikus?

Das Nervengeflecht des Parasympathikus ist quasi der gemütlichere Bruder des Sympathikus.

Der Parasympathikus sorgt dafür, dass körperlichen Vorgänge gut funktionieren: Verdauung, Wachstum, Immunsystem, Energiespeicherung. Ist der Parasympathikus aktiv, sind wir entspannt, kommen zur Ruhe und fühlen uns wohl.

Was ist der Vagusnerv?

Die Frage könnte auch lauten: Was ist der Ruhenerv?

Der Vagusnerv ist der 10. Hirnnerv. Und er ist hoch relevant für die Frage nach Stressbewältigung und Entspannung:

Der Vagusnerv ist der Hauptnerv des Parasympathikus.

Der Name kommt aus dem Latein: „Vagabundus“ bedeutet wandern.

Das ist bezeichnend, weil der Vagusnerv vom Hirnstamm ausgehend, über die Zunge, die Schilddrüse, Herz, Atmungsorgane, Leber, Nieren, Verdauungstrakt bis zum Abdomen und die Blase durch den Körper wandert und so gut wie alle inneren Organe und Strukturen innerviert.

Interessant ist auch, dass mehr Informationen von den Organen zum Gehirn gesendet werden, als umgekehrt Befehle vom Gehirn „nach unten“ geschickt werden. 

Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus

Der Sympathikus und Parasympathikus (gerne auch mal entgegen dem Duden mit „Sympatikus und Parasympatikus“ bezeichnet) erzeugen also gegengesetzte Wirkungen auf den Körper. Dies machen sie, indem sie auf jene Organe und Strukturen einwirken, die sie innervieren, also mit denen sie verbunden sind.

Beispielsweise erhöht der Sympathikus die Herzschlagfrequenz (brauchen wir im Kampf), während der Parasympathikus sie verringert (für einen gechillten Ruhepuls auf der Couch). 

Geht es darum, überreizte Nerven zu beruhigen, und innere Ruhe zu finden, können wir daher sowohl den Parasympathikus aktivieren, und den Vagusnerv stimulieren. Man kann ebenfalls beim Sympathikus ansetzen, und versuchen, die Stressreaktion so gering wie möglich zu halten. Mehr dazu lesen Sie im Blogartikel über effektive Stressbewältigungs-Methoden.

Nachstehend folgen jetzt 15 Übungen, die ganz gezielt den Parasympathikus aktivieren, und so das vegetative Nervensystem beruhigen.

Buchtipp: Das kleine Überlebensbuch

Einen Buchtipp habe ich auch für dich, und – wegen der absolut herzig gemachten Illustrationen vielleicht auch für deine Kinder. „Kopf hoch. Das kleine Überlebensbuch. Soforthilfe bei Stress, Ärger und anderen Durchhängern“ von Dr. med. Claudia Croos-Müller.*

Was ich daran so gut finde ist, dass es ein kompaktes Büchlein ist, in dem kleine Übungen – so wie du sie auch in diesem Blogartikel findest – sehr einfach erklärt werden. Und aber auch immer eine Erklärung gegeben wird, warum diese Übungen wirken. Also die neurobiologische Grundlage wird sehr anschaulich erklärt, was bei mir ja immer Bonuspunkte gibt, weil ich das so wichtig finde.
Was ich daran so gut finde ist, dass es ein kompaktes Büchlein ist, in dem kleine Übungen – so wie du sie auch in diesem Blogartikel findest – sehr einfach erklärt werden. Und aber auch immer eine Erklärung gegeben wird, warum diese Übungen wirken. Also die neurobiologische Grundlage wird sehr anschaulich erklärt, was bei mir ja immer Bonuspunkte gibt, weil ich das so wichtig finde.

2 may 2019

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