Mit Schuldgefühlen umgehen: So kann es gelingen

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Annika Haffke

Fachlich geprüft von Verena Düttmann (Psychotherapeutin)

Ein Fehler bei der Arbeit oder der Wunsch, sich im letzten Gespräch mit der Freundin einfach anders verhalten zu haben – es gibt viele Dinge, die in uns Schuldgefühle auslösen können. Das unangenehme, nagende Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, beschleicht uns dabei manchmal nur kurz, ein anderes Mal lang und zermürbend. Wir verraten dir, wozu Schuldgefühle überhaupt gut sind, wie sie sich äußern und wie du gut mit ihnen umgehen kannst.

Inhalt:

  1. Was sind Schuldgefühle?
  2. Wie äußern sie sich?
  3. Sinn und Zweck der Schuldgefühle
  4. Zuviel des Guten: Was tun?
Titelbild: Frau will Schuldgefühle loswerden

Was sind Schuldgefühle?

Schuldgefühle entstehen dann, wenn wir den Eindruck haben, unseren eigenen Werten oder moralischen Ansprüchen nicht gerecht geworden zu sein. Schuld zu erleben ist damit sehr individuell, denn jeder moralische Kompass ist anders. Während eine Person sich zum Beispiel große Selbstvorwürfe macht, weil sie den Geburtstag einer Freundin vergessen hat, lebt jemand anderes vielleicht nach dem Motto „Besser spät als nie“ und macht sich keine Gedanken darum, erst einen Tag später zu gratulieren.

Bei Schuldgefühlen geht es nicht wie im juristischen Sinne der Schuld um ein objektives „Richtig“ oder „Falsch“. Es geht vielmehr um innerlich übernommene Regeln, an die man denkt, sich halten zu müssen und die sich von Mensch zu Mensch unterscheiden.

Wie äußern sie sich?

Schuldgefühle können sich bei jedem Menschen anders äußern – in Gedanken, Körperempfindungen und im Verhalten. Nicht selten werden Schuldgefühle von negativen Gedanken wie „Ich habe einen Fehler gemacht.“ oder „Hätte ich doch nur…“ begleitet. Körperlich kann sich ein Kloßgefühl im Hals, Engegefühl in der Brust oder einer Verspannung der Muskeln bemerkbar machen. Von Schuldgefühlen Geplagte haben oft den Wunsch, etwas wiedergutzumachen, sich zu entschuldigen oder irgendwie für das Geschehene zu büßen, manchmal sogar, sich selbst zu bestrafen.

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Sinn und Zweck der Schuldgefühle

Jede Emotion, auch die unangenehmen Gefühle, ist völlig normal, hat ihre Berechtigung und ist im Grunde nützlich. Das ist auch bei Schuldgefühlen nicht anders. Sie zeigen uns die Richtung unseres moralischen Kompasses und auf das, was uns wichtig ist. Um sie zu vermeiden, halten wir uns an soziale Regeln. Wir entschuldigen uns, wenn wir einen Fehler gemacht haben, lernen aus ihnen oder bemühen uns um eine Wiedergutmachung. Schuldgefühle haben also auch eine soziale Funktion, denn sie schützen uns davor, aus einer Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.

Zuviel des Guten: Was tun?

Manchmal können Schuldgefühle aber auch sehr stark sein und uns geradezu überwältigen. Oder sie halten sehr lange an und wir können uns von unserem Gefühl der Schuld kaum lösen. Das kann so belastend sein, dass der Wunsch entsteht, Schuldgefühle loswerden zu wollen. Wir haben 5 Tipps für dich, wie dies gelingen kann. 

1Einen Schritt zurücktreten

Wenn du dich schuldig fühlst, dann kann es helfen, innezuhalten und das Gefühl erst einmal anzuerkennen („Ja, ich fühle mich schuldig.“). In einem zweiten Schritt kannst du dann den Gründen für dein Gefühl auf die Spur kommen („Ich fühle mich schuldig, weil …“).

Manchmal hilft dieses Zurücktreten und Anerkennen bereits, Schuldgefühle abzuschwächen. Oft sind Gefühle nämlich besonders dann machtvoll, wenn wir sie verdrängen und im Hintergrund halten.

2Die Perspektive wechseln

Wenn wir versuchen, auf das, was geschehen ist, einen möglichst objektiven Blick zu werfen, kann das entlasten. Du kannst dich zum Beispiel fragen, ob das Ereignis, für das du dich schuldig fühlst, tatsächlich in deiner alleinigen Verantwortung lag. Oder könnten auch äußere Umstände und Bedingungen eine Rolle gespielt haben, auf die du keinen oder nur wenig Einfluss hattest? Wie würdest du mit einem Freund oder einer Freundin reden, dem oder der dasselbe wie dir passiert ist? Vermutlich würdest du statt Anschuldigungen und Vorwürfe auch nette, wohlwollende Worte finden.

3Schuldgefühle loswerden: Wiedergutmachen

Wir haben ja schon festgestellt: Schuldgefühle haben einen Nutzen und können uns dazu anregen, Fehler wiedergutzumachen, uns zu entschuldigen oder für unsere Taten Verantwortung zu übernehmen. Und genau diese Handlungen können manchmal Wunder wirken und helfen, Schuldgefühle loszuwerden. Wenn du zum Beispiel das geliehene Buch deiner Freundin verbummelt hast und du das Buch ersetzt und vielleicht noch eine Tafel Schokolade oben drauf legst. Auch die einfachen Worte „Es tut mir wirklich leid“ können bei unserem Gegenüber mehr bewirken als eine rein materielle Wiedergutmachung – und bei uns selbst Erleichterung schaffen. 

Natürlich gibt es aber auch hier Grenzen und manche Menschen neigen dazu, sich vielfach zu entschuldigen oder große Wiedergutmachungen zu leisten, die eigentlich gar nicht nötig werden. Du kannst eine gute Balance finden, indem du dich fragst: Ist meine Reaktion auf das, was schief gelaufen ist, angemessen? Passt es zur Situation oder schieße ich über das Ziel hinaus? 

4Nach vorne blicken

Schuld blickt meist in die Vergangenheit wie uns Gedanken wie „Was hätte ich ändern können? Was anders machen? Was vielleicht sogar müssen?“ verdeutlichen.

Auch wenn Schuldgefühle uns reumütig in die Vergangenheit schauen lassen, ist es wichtig zu erkennen, dass sie das Geschehene nicht ändern können.

Wenn wir nur nach hinten blicken, kommen wir nicht voran.

Schuldgefühle helfen uns nicht, die Vergangenheit zu ändern. Wobei sie uns jedoch helfen können, ist die Zukunft. Blicke also weniger zurück – passiert ist passiert – sondern nach vorn. Was kannst du lernen, in Zukunft anders und besser machen? Welche Fehler willst du nicht noch einmal begehen? Indem du deine Blickrichtung änderst, wird aus reumütigem Stillstand eine positive Bewegung.

5Verzeihen und loslassen

Am Ende ist ein wichtiger Schritt, um Schuldgefühle loszuwerden und nach vorne zu blicken, dir selbst zu verzeihen, für das, was passiert ist. Fehler sind menschlich. In diesen drei Worten, auch wenn sie wie ein etwas lapidarer Kalenderspruch klingen, steckt eine Menge Wahrheit. Wir alle machen Fehler und das ist ok. Du darfst dir dafür vergeben, abschließen und loslassen. Mehr Tipps darüber, wie genau das gelingen kann, findest du in unserem Blogartikel zum Thema „Sich selbst verzeihen“.
20 september 2019

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