Der Psychopath – das Böse in Person?

6 Min. Lesezeit

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Marie Zeitler

Fachlich geprüft von Annika Haffke (Psychotherapeutin)

Titelbild: Psychopath

Der Psychopath – dieser Begriff ist definitiv Schlagzeilen Material. So werden in den Medien häufig Serienmörderinnen und Serienmörder als Psychopath bezeichnet und der Begriff weiter als Inbegriff des „Bösen“ stigmatisiert. Was steckt aber wirklich dahinter? Was sind die echten Merkmale von Psychopathen und woran könnt ihr sie erkennen?

Den Psychopath oder die Psychopathin erkennen? Merkmale und Definition

Wie lässt sich der Psychopath nun erkennen? Welche Verhaltensmuster zeigt er oder sie und was sind typische Merkmale eines Psychopathen? In der Fachliteratur steht dieser Begriff für Menschen, die sich durch Lügen, Manipulation, Betrug, Egoismus, Gefühllosigkeit und weitere zerstörerische Eigenschaften beschreiben lässt.

Psychopathie ist keine offizielle Diagnose. Vielmehr ist es ein psychologisches Konstrukt. Um herauszufinden, wie stark Psychopathie bei jemandem ausgeprägt ist, entwickelte der kanadische Kriminalpsychologe Robert D. Hare einen Fragebogen, die „Psychopathie Checklist (PCL)“. In der Checkliste werden 20 „Symptome“ abgefragt. Jedes von diesen Symptomen wird bei der Untersuchung von einer Psychotherapeutin von 0-2 bewertet. Wir können also nicht einfach die Checkliste abhaken und wissen: „Da sitzt uns wohl ein Psychopath gegenüber“. In Europa sprechen wir ab einem Wert von 25 von einer Psychopathie. In anderen Ländern wird dieser Grenzwert auch erst bei 30 angesetzt.

Gut zu wissen

Psychopathie Checkliste nach Robert Hare

Persönlichkeitsbasierte Kriterien:

  • Trickreich sprachgewandter Blender mit oberflächlichem Charme
  • Erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl
  • Pathologisches Lügen
  • Betrügerisch-manipulatives Verhalten
  • Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein
  • Oberflächliche Gefühle
  • Mangel an Empathie bis Gefühlskälte
  • Mangelhafte Bereitschaft und Fähigkeit, Verantwortung für eigenes Handeln zu übernehmen

Verhaltensbasierte Kriterien:

  • Stimulationsbedürfnis (Erlebnishunger), ständiges Gefühl der Langeweile
  • Ein Lebensstil der andere ausnutzt
  • Unzureichende Verhaltenskontrolle
  • Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern oder Partnerinnen
  • Frühe Verhaltensauffälligkeiten
  • Fehlen von realistischen, langfristigen Zielen
  • Impulsivität
  • Verantwortungslosigkeit
  • Viele kurzzeitige ehe(ähn)liche Beziehungen
  • Jugendkriminalität
  • Missachtung von Weisungen und Auflagen
  • Vielfältige Kriminalität

Abgrenzung von Psychopathie zur Antisozialen Persönlichkeitsstörung (ASPD)

Die Antisoziale Persönlichkeitsstörung ist im Gegensatz zur Psychopathie und Soziopathie eine offizielle psychiatrische Diagnose. Typisch für die Antisoziale Persönlichkeitsstörung ist antisoziales Verhalten wie zum Beispiel wiederholtes Lügen und Betrügen, Reizbarkeit und Aggressivität, rücksichtsloser Umgang mit der eigenen Sicherheit oder der von anderen. Dazu gehört auch, sich nicht den sozialen Normen und Gesetzen anzupassen und Probleme zu haben, dauerhaft eine Tätigkeit auszuüben. Menschen mit einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung zeigen selten Reue, wenn sie anderen Unrecht getan haben.

Die Unterscheidung von Psychopathie und ASPD ist zwar wichtig, dennoch ist das gar nicht so leicht. Zum Beispiel tauchen auch die Begriffe Psychopathie und Soziapathie unter der Diagnose der Antisozialen Persönlichkeitsstörung auf.

Wichtig ist vor allem die Unterscheidung, dass bei der Psychopathie die fehlende Empathie und die geringe eigene Gefühlstiefe ausschlaggebend sind. Auch der oberflächliche Charme und das gewissenlose Ausnutzen anderer unterscheiden sich. Diese Kriterien spielen für eine Antisoziale Persönlichkeitsstörung keine elementare Rolle. Für fast alle Personen, die die Kriterien einer Psychopathie erfüllen, treffen ebenfalls die Kriterien einer ASPD zu, allerdings erfüllt nur etwa ein Drittel der Personen mit ASPD auch die relevanten diagnostischen Kriterien der Psychopathie.

Psychopathie kann als Extremform der Antisozialen Persönlichkeitsstörung eingeordnet werden. 

Der Psychopath unter uns? Wie viele Menschen mit Psychopathie gibt es?

Studien zu der Häufigkeit von Psychopathie in der Allgemeinbevölkerung sprechen für eine Rate von etwa 1% (Allgemeinbevölkerung in den USA). Von Psychopathie scheinen dabei deutlich mehr Männer als Frauen betroffen zu sein. In Studien unter Straftäterinnen und Straftätern, erfüllten bis zu 20% in den USA und 7-9% in Deutschland die Kriterien für eine Psychopathie. Es scheint also, als sei der Psychopath häufiger unter Straftätern aufzufinden. Aber stimmt das Bild, was wir aus den Medien kennen?

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Wie gefährlich sind Psychopathinnen und Psychopathen wirklich?

Außergewöhnlich brutale und gewissenlose Straftäterinnen und Straftäter werden medial oft mit dem Begriff „Psychopath“ in Verbindung gebracht. Aber wie gefährlich sind Menschen, die die Kriterien für eine Psychopathie erfüllen wirklich? Zwar steht der Begriff Psychopath im traditionellen Sinne erst einmal für tiefe menschliche Abgründe und auch im Bereich der Forschung zeigt sich in den oben beschriebenen Zahlen ein Zusammenhang zwischen Psychopathie und straffälligem Verhalten. Treten Psychopathie und kriminelles Verhalten zusammen auf, dann steigt das Risiko für weitere kriminelle Handlungen. Das heißt aber nicht, dass jeder Psychopath straffällig wird, oder dass jeder Straftäter ein Psychopath ist.

Das Bild aus Medien und Filmindustrie ist daher also stark übertrieben – es klingt nur eben so schrecklich schön schockierend. Psychopathen leben eher unbehelligt unter uns. Doch wo können wir sie sonst noch antreffen, wenn nicht in der Justizvollzugsanstalt? 

Zwischen Freiheitsstrafe und Chefetage?

Das erste Bild, was vor dem inneren Auge beim Begriff „Psychopath“ auftaucht, ist das grausame, aus den Medien bekannte. Obwohl sich ein Zusammenhang zwischen Psychopathie und Kriminalität zeigt und in Gefängnissen mehr Psychopathen aufzufinden sind, leben die meisten Personen mit psychopathischer Persönlichkeit unbehelligt unter uns. Deren Leben ist jedoch auch oft geprägt von unethischem und unmoralischem Verhalten.

In der aktuellen Forschung lassen sich zwei Typen von Psychopathen unterscheiden.

Zunächst die sogenannten erfolglosen Psychopathen, bei der die Personen als furchtlos, rücksichtslos, impulsiv, manipulativ, aggressiv, egoistisch und mit fehlender Empathie und fehlendem Schuldempfinden beschrieben werden, durch antisoziales Verhalten auffallen und ein Risiko zu Gewalttaten bergen. Die meiste wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich greift zurück auf inhaftierte männliche Straftäter.

Doch inzwischen gibt es auch viele Anhaltspunkte, dass sich noch eine andere Ausdrucksform zeigen kann: der erfolgreiche Psychopath. Der amerikanische Psychiater und Spezialist für Psychopathie Hervey Cleckley beschrieb bereits im Jahr 1942 Fälle von hoch funktionierenden „erfolgreichen“ Psychopathen. Diese Beschreibungen beinhalteten Geschäftsmänner, Physiker und Wissenschaftler (zu der Zeit wurden nur Männer untersucht), die zwar alle psychopathischen Eigenschaften zeigten, allerdings blieben sie unauffällig im Bereich des straffälligen Verhaltens.

Einerseits sei dieser Typ Psychopath oberflächlich charmant, frei von Ängsten und sprachgewandt. Andererseits sei der Psychopath gefühllos, habe keine Schuldgefühle, sei ziellos und egoistisch. Durch die Zusammensetzung dieser scheinbar widersprüchlichen Eigenschaften scheinen Psychopathen andere Menschen sehr einfach täuschen und von ihrer Vertrauenswürdigkeit überzeugen zu können. Menschen mit psychopathischen Eigenschaften kannst du also durchaus auch in der Führungsetage antreffen.  

„Geht ein Psychopath zur Therapie…” –  Psychopathie behandeln?

Grundsätzlich ist in der Gesellschaft der Glaube verbreitet, Psychopathen könne man nicht behandeln. Sie seien unveränderbar in ihrem Wesen und würden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nur manipulieren. Neuere Studien zeigen zwar, dass die Abbruchrate der Therapie bei Männern mit hoch ausgeprägter Psychopathie größer ist, aber dennoch scheint die Therapie bei ihnen zu wirken. Bei Sexualstraftätern mit Psychopathie zeigte sich nach der Therapie eine verminderte Rückfälligkeit.

Du und der Psychopath

Was kannst du tun, wenn du Psychopathen oder Psychopathinnen begegnest? Vermutlich merkst du erst nach einiger Zeit, dass dein Gegenüber Merkmale aufweist, die dich an Psychopathie denken lassen. Denn schließlich beherrschen viele Menschen mit Psychopathie das Thema Manipulation und begegnen dir erst einmal auf andere Art und Weise.

Eine wichtige Botschaft ist: Das psychopathische Verhalten solltest du nicht persönlich nehmen. Psychopathen verhalten sich nicht so, weil sie etwas gegen dich haben, sondern weil es ein Symptom ihrer psychischen Erkrankung ist.
20 september 2019

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